Manchmal wundere ich mich schon, dass das Wunder sich gar nicht abnutzt. Klar wir sind Superhelden, wir existieren nur im Paralleluniversum, aber auf die Magie des Anfangs, den Zauber des Neuen können wir uns schwerlich noch berufen. Und trotzdem passiert es – jedes einzelne verfickte Mal!
Ich wusste nicht, dass ich dazu überhaupt in der Lage bin. Lässt man mich in Ruhe, können Wochen vergehen, bis mir von allein einfällt, dass Sex ein schöner Zeitvertreib und auch mal ein Bedürfnis ist. Lässt man den Pseudorebell auf mich los, macht er mich instant geil. Ich schaue einmal in diese vor Verlangen lodernden Augen, ich spüre eins dieser drängenden Knie irgendwo an meinem Bein, ich fühle an einer beliebigen Stelle meines Körpers diese gierige Hand – und schon springen mein Kopf und mein Körper einträchtig um auf Fortpflanzungsmodus. Manchmal reicht, dass er mir ein rauhes und wenig originelles „Ich will dich flachlegen“ ins Ohr raunt oder einfach nur mit seinem großen strahlenden Körper viel zu dicht herantritt. Guck mal – ohne Berühren! Der Effekt ist automatisch und unfehlbar: Ich werde willig, feucht und geil.
Wir haben so viele (Mittagspausen-) Quickies absolviert, dass wir das minimale Vorspiel kennen, und eigentlich bräuchten wir nicht einmal das. Unsere Körper sind darauf konditioniert, sich sofort aneinander aufzuschaukeln. Es ist wie eine sich zwingend immer wieder erfüllende Prophezeiung. Wenn die Zeit da ist, auch in Reihe. Immer und immer wieder.
Es ist wieder so eine geklaute halbe Stunde spät am Abend. Ich habe noch nicht einmal die Jacke abgestreift, da drängt er sich frontal gegen mich. Wie immer ist das eindeutig begehrt werden ein sehr angenehmes Gefühl, aber ich spüre, dass ich lieber Hautkontakt hätte. Ich mache mich los, entledige mich achtlos meiner Klamotten und stehe nackt vor ihm. Sofort umfangen mich seine Arme. Einige Sekunden lang entsteht Intimität zwischen unseren Körpern. Sie tauchen ein in die Wärme des jeweils anderen. Die Haut aktiviert alle Rezeptoren zur Wahrnehmung. Wir atmen uns ein und landen in diesem Moment beeinander, alles andere ist weg. Ganz kurz tasten seine Hände auf meinem Rücken nur auf der Suche nach Nähe, streicheln nur aus Freude, diesen Augenblick gefunden zu haben. Es ist die Sekunde, wo ich meine Wange kurz auf seiner Brust ablege, alles vergesse und ankomme.
Und im nächsten Augenblick müsste die Lust kommen, die Lust sich noch näher zu kommen, die Lust auf Hitze, Aufregung, Extase. Bei ihm kommt sie auch. Es ist schön, die Hände zu spüren, die dringlich werden. Es ist das gleiche beglückende Gefühl, mitzukriegen wie er hart wird. Ein Teil meines Körpers spielt mit, er kennt die Choreographie, weiß die Regeln. Es ist immer noch schön, keinesfalls unangenehm. Ich mag diesen Mann und das Schauspiel seiner Lust. Aber mein Kopf scheint nicht anzuspringen. Das wilde Wollen passiert nicht. Ich bin nicht abgetörnt, aber ich bin einfach nicht geil.
Ich spüre seine Hände an meiner Brust, ich fühle seinen Schwanz in mir, wie er die Punkte berührt, aber das Feuerwerk bleibt aus. In dem Moment, wo ich es bemerke, ist es auch schon zu spät. Ich bin verwundert und verwirrt. Das ist mir noch nie passiert! Wieso macht es nicht klick, so wie sonst immer? Es ist doch alles schön… Vielleicht habe ich es zu sehr gewollt, die Woche war nicht so toll. Jedenfalls fange ich an nachzudenken, und dann ist es erst recht vorbei. Vor allem bin ich erstaunt. Das kenne ich so gar nicht. Wieso springt der Motor nicht an?
Und was ist jetzt zu tun? Weiter versuchen? Abbrechen? Faken?! Er zieht mich über sich, wahrscheinlich weil er spürt, dass ich nicht seinen Rhythmus finde. Ich hocke über ihm, schließe die Augen und mache noch einen halbherzigen Versuch, meine Lust hervorzukitzeln, indem ich mich gegen ihn dränge, die Hüften kreise und den Punkt suche, wo es richtig gut wird. Aber wahrscheinlich bin ich schon zu verzagt. Es kommt nicht. Und ich kann nicht weitermachen, als wäre alles normal.
„Ich kann das gerade nicht. Irgendwie bin ich im falschen Film“, teile ich unbeholfen mit, während ich mich herunterrolle und an seine Seite kuschele. Er sieht mich an, mit aller Ernsthaftigkeit, die seine hellen Augen aufzubieten vermögen, und das ist manchmal erschreckend viel. Er will verstehen. Dabei habe ich doch selber keine Ahnung, was hier los ist. Ich habe totales Zutrauen in unsere sachliche Kommunikation. Das funktioniert meist ziemlich reibungsfrei. Aber meine Unsicherheit potenziert sich gerade in der Antizipation einer Diskussion über Ursachenforschung im Stundenhotel.
„Mach einfach was anderes“, stoße ich unentschieden hervor. Und er tut es tatsächlich. Er dreht mich, nimmt mich von hinten. Ich muss ihn nicht ansehen, das macht es ohnehin immer komplizierter. Stattdessen kann ich mich der Bewegung hingeben. Er kommt schnell und lautstark, und ich freue mich wahnsinnig, weil ich mich sowieso immer daran erfreue und weil das allemal die bessere Lösung ist, als jetzt zu reden.
Wir sprechen dann trotzdem kurz. „Sogar ich weiß, dass Orgasmus immer da drin passiert“, tippt er mir grinsend auf die Stirn. Und: „Manchmal kann man eben nicht. Ich kenne das. Beim nächsten Mal geht’s wieder“, sagt der Pseudorebell und liefert einfach trotzdem eine Runde zwei innerhalb dieser merkwürdigen 30 Minuten. Er versteht gar nicht, wie großartig ich ihn dafür wieder finde.
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