Ein bisschen unheimlich ist es hier alleine. Ich fühle mich wie ein Eindringling, denn ohne dich fehlt das konspirative Gekicher der Grenzüberschreitung. Aber gleich muss ich trotzdem lächeln, weil dieser Raum so beeindruckend deutlich mit deiner Präsenz durchtränkt ist, obwohl du hier nur wenige Stunden verbracht hast. Er passt nicht zu dir, aber ich habe ihn offensichtlich untrennbar mit dir verbunden. Ich kann gar nicht hier sein, ohne dass du da bist. Schon beim Ankommen hatte ich dieses erwartungsvolle Ziehen im Bauch. Mir blieb fast die Luft weg, so klar und deutlich konnte ich dich vor meinem inneren Auge warten sehen.
Ich ziehe mich aus, bedächtig und wahrscheinlich viel schöner als die allermeisten Male, wenn du mir zugesehen hast. Es ist ein grauer, trüber Herbsttag, die Dämmerung ist schon weit forgeschritten. Als ich mich auf dem Teppich ausstrecke, mit dem unsere Körper so innigen Kontakt hatten, dessen Fussel an meinem schweißnassen Rücken geklebt und sich in meine wild rutschenden Knie gebrannt haben, überläuft mich eine Gänsehaut. Es ist kühl. Aber wenn ich die Augen schließe, kann ich mir die schräg stehende Sonne vorstellen, wie sie durch das bodentiefe Fenster auf unsere nackten Leiber scheint. Hier habe ich zum ersten Mal ganz tief in deine voll ausgeleuchteten Augen gesehen.
Meine Hand gleitet zwischen die Beine. Die Haut fühlt sich weich, glatt und warm an. Aber du hast mich noch nicht um den Verstand geküsst, mich in Duldungsstarre geäugt oder in bebender Gier gepackt. Ich bin alles andere als feucht und heiß. Ich kann dich zwar spüren, aber eher als das, was fehlt, denn als Nachricht von Sam, mit der ich jetzt Sex haben könnte. Ich fasse meine Brust, aber auch diese Berührung, die von dir ausgeführt mit beinahe verstörener Verlässlichkeit meine Lust anzuknipsen vermag, ist ohne deine Freude daran nicht halb so aufregend. Kurz verliere ich mich gedanklich in der Frage, was Du da eigentlich mit meinen Nippeln tust, während ich begierig hinspürend die Augen schließe, den Kopf zurückwerfe und dir vor Begeisterung mein Becken entgegen strecke. Ich habe offensichtlich keine Ahnung.
Zum Glück habe ich den Vibrator dabei. Der funktioniert zuverlässig. Ich liege still und lasse mich von den hochfrequenten Erschütterungen langsam aufputschen. Die Idee, dir in Abwesenheit eine Show zu bieten, verwerfe ich. Mir dich vorzustellen, wie du dich an etwas berauschst, von dem du nichts weißt, um mich geil zu machen, scheint mir eine zu vertrackte Spiegelung über Bande zu sein, um so etwas Praktisches wie einen Soloorgasmus zu erreichen.
Um 180° gedreht lag ich hier, während du zwischen meinen Beinen hocktest, deine schönen Hände auf mein Geschlecht konzentriert. Einerseits war ich mental vollkommen weggetaucht und die Berührungsfläche zwischen uns beinahe verschwindend klein. Ich weiß, du warst im konzentrierten Experimentiermodus und auf einer ganz anderen Ebene unterwegs als ich. Andererseits drückt mir heute noch die Erinnerung an diese Szene die Kehle zusammen. Ich habe so tief alles geöffnet dafür. Du hast so fein auf mich gehört. Das war ein Kunststück aus Vertrauen gemacht, auf das ich unsinnigerweise stolz bin. Aber scharf macht mich dieser Traum nicht.
Auf dem gleichen Quadratmeter hast du mich entmachtet, mir alle Kontrolle geraubt und die süß rieselnde Furcht geschenkt. Schneller als ich denken konnte, lag mein Körper unter dir und das wild rauschende Adrenalin strafte alle Behauptungen Lügen, ich würde dir zu sehr vertrauen dafür. Ich habe wirklich aufgegeben, aus Not und aus Zwang, und auf einmal war ich so frei, dass das All mich hätte aufsaugen können in diesem Moment. Aber auch an diese Geschichte kann ich nicht denken, ohne von der immensen Dankbarkeit dafür geschüttelt zu werden, dass du das getan hast, nachdem ich es ausgeschlossen hatte.
Meine Erinnerungen sind irgendwie nicht zielführend. Ich beneide dich kurz für die neu zusammen gewürfelten scharfen Miniszenen, die deiner Vorstellungskraft täglich zuzufliegen scheinen und die du mir manchmal kurz mitstenografierst. Mein Kopfkino hat einen Filmriss. Stattdessen überlasse ich mich dem elektrischen Gesellen und der funktioniert auf angenehm mechanische Weise. Ich denke an nichts, schon gar nicht an dich, und dann geht es wie meistens ziemlich schnell.
Ich finde die richtige Stelle, drücke, halte fest und warte. Es geschieht wie eine unterbewusste Körperfunktion. Bevor ich so etwas wie Lust empfinde, baut sich plötzlich schon der Orgasmus auf. Mein Unterleib krampft heftig. Der Oberkörper bäumt sich auf – so wie bei dir, wenn du dabei auf dem Rücken liegst. Und mit der Erlösung schwappt auch diese Freudenwelle über mich. Instinktiv reiße ich die Augen auf, um diesen Moment mit dir zu teilen. Und tatsächlich sehe ich dein begeistertes Gesicht ganz kurz vor mir. Leider kannst du mich nicht am Hals packen und sanft wieder ablegen.
Ich stehe auf. Was passiert, wenn ich hier alleine ein Bier trinke, will ich nicht wissen. Die Fensterscheibe wirft eine Reflektion der gedämpften Beleuchtung auf meinem nackten Körper zurück. Es sieht hübsch aus. Für eine Sekunde meine ich die roten Seile daran zu erkennen. Dann ziehe ich mich an und die Tür hinter mir zu.