Es sind wunderbare Tage. Am wundersamsten ist die Unendlichkeit des Begehrens.
Schon morgens bekomme ich eine dieser Spammails. Ich nenne sie so, weil sie fast nur aus sexuellen Buzzwords bestehen, in keiner Weise originell sind und vor vergurkter Grammatik, Rechtschreibfehler und Auslassungen strotzen. Aber gerade diese völlig unüberlegt, beinahe atemlos dahingetippten Wörter transportieren mir eine direkte Dringlichkeit im Wunsch nach Vereinigung, dass dem Grinsen im Gesicht beim Lesen sich immer eine erste Runde Aufregung im Unterleib hinzu gesellt.
Das Ziel von Samstagabend ist immer eine Adjutantin für Project Threesome aufzutun, aber wir haben lange aufgegeben, den Jagdhunger dadurch bewahren zu wollen, dass wir nicht zuerst übereinander herfallen. Wir treffen uns im Stundenhotel, und nachdem ich mich erst in eine dominanten Position gebracht hatte, mit der ich dann doch nicht recht etwas anzufangen wusste, hat der Pseudorebell die Geduld verloren und mich heftig aus allen Richtungen versorgt, bis ich kopflos nur noch zwischen Schreien und Wimmern oszilliere. Er weiß, er hat mich komplett aufgelöst, und das ist der richtige Zustand, um mich hemmungslos auf seiner Hüfte herumhüpfen zu lassen.
So hemmungslos, dass ich es tatsächlich hinkriege, ihn von seinem inneren Zeitplan abweichen zu lassen, so dass er unter mir kommt, während ich auf seine krampfenden Füße schaue. Mein alberner Stolz möchte sich in Zärtlichkeit Bahn brechen und ich beginne, seine Eier zu lecken. Ich habe irgendwann gelernt, dass er tatsächlich in der Lage ist, das als rein zärtliche Geste zu empfinden. Und ich kann irgendwo hin mit meiner momentan überfließenden Anhänglichkeit, ohne ihm die Luft zu nehmen.
Ein paar lange Sekunden geht es tatsächlich so. Dann fängt der Ruhelose an über die verbleibende Zeit nachzudenken und will schon wieder. In diesem Fall bin ich nicht so sicher, ob mich oder aus Prinzip, aber das ist ohnehin egal. Er kriegt eine 69, eine Position, die mich schlichtweg wahrnehmungstechnisch überfordert, aber das ist in diesem Moment nicht von Belang, denn ich bin ohnehin ausgereizt. Ich komme nie aus dem Staunen heraus, wie gern der Pseudorebell sich mit dem ganzen Gesicht zwischen meinen Beinen versenkt. Das ist eine Form von Begehren, die mich immer etwas fremdartig, aber sehr aufregend berührt.
Er tut mir den Gefallen und kommt über mich. Ich kann nicht mehr recht mit, gleich werde ich eine halbe Stunde wortkarge Recovery brauchen, aber ich kann noch zusehen und zuhören, und meine Spiegelneuronen feuern heftig, während sich das schwitzende Paket Leben über mir entlädt.
Nach einiger Zeit bin ich wieder zur Außenwahrnehmung fähig. Wir diskutieren die momentan nicht sehr aufregenden Optionen und sogar ein paar andere Dinge, bis er auf einmal hinter mir steht, mit der Hüfte an meinem Arsch, eine Hand über meinen Bauch geschoben. Obwohl es furchtbar laut ist, kann ich seinen Atem hören, der dieses Quentchen zu tief geht, als dass ich ignorieren könnte, wonach ihm eindeutig schon wieder der Sinn steht.
Obwohl ich mein Angebot vom Blowjob im Hinterhof wiederhole, bleiben wir der Mission treu und verlagern unser Jagdgebiet. Im Bus bin ich dran damit, haltlos in seinen gar nicht vorhandenen Ausschnitt zu fallen, tief seinen Duft einzusaugen, mit den Augen seine Arme und seinen Brustkorb entlangzuwandern und irgendwo wenig missverständlich an seinem Gürtel hängenzubleiben.
Einige Biere und Kurzkontakte später ist es Zeit aufzubrechen. Wir haben nichts erreicht, aber wir haben uns wie immer gut miteinander amüsiert. Eine Welle von Dankbarkeit überrollt mich, als der Pseudorebell anstatt direkt zur U-Bahn ohne Umschweife voran in den Park stiefelt. Zum wievielten Mal fühle ich mich heute gerade heiß begehrt und geschätzt?! Es hat den Tag über geregnet und in diesem Innenstadtpark gibt es nur eine Bank, die nicht direkt unter einer Laterne steht. Das reicht, damit ich mich nach kürzester Zeit ausschließlich daran erfreue, wie enthusiastisch wir diesen Freiluftfetisch teilen und wie einträchtig und geschmeidig wir Positionen mit einer Bank durchdeklinieren.
Überraschend viel später kommt nun wirklich der Zeitpunkt für den Heimweg. Ich bin ganz froh, dass ich mich mit dem Suchen meiner Unterhose und den Schnallen meiner Sandalen beschäftigen kann. Sonst müsste ich stehen und staunen vor der Feststellung, was Großartiges passieren kann, wenn man es eben nicht herbeiführt und nicht festhält. Diese Abende, die immer ein bisschen so schmecken, als wären sie der erste und letzte seiner Art, sind unfassbar, und am besten ist, man versucht es erst gar nicht, sondern drängelt sich mit dem restlichen Partyvolk in die U-Bahn.
Aber ich habe die Rechnung ohne den Pseudorebell gemacht. Er hatte mich an diesem Abend dreimal – zuletzt vor fünf Minuten – und jetzt steht er da und hört einfach nicht auf mich zu begehren, mich abwechselnd den Augen und den Lippen zu verschlingen. Wenn Selbstbewusstsein aus den Angeln springen könnte, würde es das jetzt krachend tun. So wird es nur beklemmend eng in mir. Wie viel Begehren hält man aus?!
Auch dieser Moment geht vorüber und in eine lange Rückfahrt über, die beinahe wortlos verläuft. So langsam hat auch er müde gerötete Augen, aber sie hören einfach nicht auf mich abwechselnd zu vermessen und zu streicheln. Fast bin ich ein kleines bisschen erleichtert, als ich aus dem Zug in die Dunkelheit hüpfe.